Nordost,
Bus & Bahn
VCD Nordost aktuell
Nach dem großen Erfolg des 9 € Tickets im Sommer 2022 soll im Jahr 2023 ein deutschlandweit gültiges 49 € Ticket als dauerhaftes Angebot eingeführt werden. Das ist eine deutliche Vereinfachung im Tarif- und Verbundschungel und mit einem relativ günstigen Preis ein echtes Angebot für den Umstieg auf den ÖPNV. Gleichzeitig hat es Auswirkungen, einerseits auf die bestehenden Tarifstrukturen, andererseits auf die künftige Finanzierung des ÖPNV. Damit muss auch Berlin umgehen.
Noch ist nicht klar, wann genau das 49 € Ticket starten wird. Aktuell werden Mai oder Juni 2023 genannt. Auch ist unwahrscheinlich, dass es von ebenso vielen Menschen gekauft wird wie das 9 € Ticket im Sommer vergangenen Jahres: Der Preis ist doch deutlich höher und es kann auch nur digital im Abonnement erworben werden, wenn auch monatlich kündbar. Ein Verkauf für einzelne Monate oder auch am Fahrscheinautomaten ist, anders als beim 9 € Ticket, nicht vorgesehen.
Klar ist aber bereits jetzt, dass das dauerhafte 49 € Ticket eine tiefgreifende Veränderung im deutschen Tarif- und Verbundschungel darstellt. Das ist als positive Veränderung zu begrüßen. Gerade in Regionen wie z.B. Mecklenburg-Vorpommern, wo es bislang gar keine flächendeckenden Verkehrsverbünde gibt, stellt dies eine deutliche Vereinfachung und auch Verbilligung dar für die vermehrte Nutzung des ÖPNV.
Gleichzeitig wird das 49 € Ticket weitergehende Ausswirkungen haben: einerseits wird es Druck ausüben auf bestehende Tarifstrukturen, andererseits auf die dauerhafte Finanzierung eines ausgebauten ÖPNV.
In den meisten Regionen liegen heutige Abonnementspreise deutlich über 49 €. Diese Angebote wird es nicht mehr geben, denn wer sollte die noch kaufen? So wird erwartet, dass insbesondere in ländlichen Regionen künftig, neben Einzelfahrscheinen, nur noch das 49 € Ticket angeboten wird. Der VCD fordert bundesweit, dass dies durch ein günstigeres Sozialticket ergänzt wird, gerade für Transferempfänger und Geringverdienende. Auch die Möglichkeit eines Jobticktes sollte integriert werden.
In Ballungsregionen wie auch Berlin stellt sich dagegen durchaus die Frage, ob durch den Verkehrsverbund vor Ort auch günstigere Tickets mit dann nur regionaler Gültigkeit angeboten werden. Nach Angaben der Berliner Verkehrsverwaltung wurde diese Möglichkeit in der Vereinbarung zwischen den Verkehrsministern des Bundes und der Länder ausdrücklich vorgesehen. Berlin hat zum 1.1.2023 bereits ein dauerhaftes 9 € Sozialticket eingeführt sowie, als Übergang bis zum Start des 49 € Tickets, ein 29 € Ticket für den Bereich Berlin AB, derzeit befristet bis 30.04.2023.
Klar ist auch: Die deutschlandweite Gültigkeit des 49 € Tickets wird von den wenigsten Fahrgästen tatsächlich allmonatlich deutschlandweit genutzt werden. Den ÖPNV nutzt man vor allem für die täglichen Wege am Wohn- und Arbeitsort. Wobei es eine deutliche Vereinfachung darstellt, wenn man beim Pendeln die Grenzen von Tarifgebieten überschreitet.
Der VCD Nordost fordert daher als Ergänzung unterhalb des 49 € Tickets:
Beides ist natürlich nur dann möglich, wenn auch diese Angebote von der Finanzierung des 49 € Tickets abgedeckt sind und nur die zusätzliche Rabattierung, ggf. auch nur für bestimmte Nutzergruppen, vor Ort finanziert werden muss.
Die zweite große Frage, die sich mit dem 49 € Ticket stellt und auf die die Verkehrsministerkonferenz noch keine Antwort gegeben hat, ist die dauerhafte Finanzierung des ÖPNV. Das gilt sowohl für den notwendigen Ausbau als auch für den dauerhaften Betrieb. Ein deutlich augebauter ÖPNV wird auch im Betrieb mehr Fahrzeuge und Personal benötigen und damit höhere Kosten haben.
In Berlin wurde der ÖPNV bisher ungefähr jeweils zur Hälfte durch Ticketverkauf und öffentliche Zuschüsse finanziert. Während der Coronazeit sind die Einnahmen aus dem Ticketverkauf teilweise bis zu 70% eingebrochen, während gleichzeitig ein uneingeschränkter Betrieb finanziert werden musste.
Auch mit dem 49 € Ticket werden die Einnahmen aus dem Ticketverkauf gegenüber aktuellen Preisen deutlich sinken, was voraussichtlich nicht durch vermehrten Verkauf kompensiert werden kann.
Die dadurch entstehenden Kosten werden nicht in voller Höhe, sondern nur zur Hälfte vom Bundesverkehrsministerium übernommen. Die andere Hälfte tragen die Länder. Auch tragen die Länder aktuell das alleinige Risiko, wenn die Einnahmeausfälle aus Fahrscheinverkauf höher werden als kalkuliert, da der Bund seinen Finanzierungsanteil gedeckelt hat.
Die Befürchtung der Verkehrsverbände wie dem VCD ist daher, dass die Subventionierung des 49 € Tickets auf Kosten von Ausbau und auch Betrieb des ÖPNV gehen könnte. Zwar wurden die GVFG-Mittel, mit denen der Bund die Kosten der Länder für Ausbau und Betrieb des ÖPNV bezuschusst, deutlich erhöht. Allerdings nur um den Betrag, den die Länder auf der anderen Seite zur Finanzierung des 49 € Tickets beitragen sollen.
Das heißt: es fehlt nach wie vor an einer langfristig planbaren Finanzierung zum Ausbau und für den Betrieb eines deutlich ausgebauten ÖPNV. Bei geringeren Ticketpreisen müssen auch deutlich mehr Menschen die Tickets tatsächlich kaufen und nutzen. Das erst wäre die Mobilitätswende.
Perspektivisch hält der VCD Nordost daher an seiner Forderung nach einer Umlagefinanzierung oder Nahverkehrsabgabe fest: verpflichtend für alle Berliner:innen ab 18 Jahre, dafür unterhalb 49 € und sozial gestaffelt. Sofern eine solche Umlage oder Abgabe durch die Finanzämter erhoben wird, wäre eine soziale Staffelung wesentlich gezielter möglich. Die Einnahmen wären langfristig planbar für Ausbau und Betrieb, unabhängig von den politischen Prioritäten der jeweiligen Landesregierung. Und vor allem: Wenn die Berliner:innen das Ticket schon bezahlt haben, dann werden sie es auch vermehrt nutzen.