Nordost

VCD Nordost aktuell

Coole Kids auf Fahrradmission

Eine Bewegung, bei denen Kinder die Straßen erobern, um ihre eigene Zukunft zu gestalten.

Die Kidical Mass ist eine ermutigende Gegenbewegung in einer Welt, in der der Autoverkehr immer noch dominiert. Im September 2023 fanden weltweit 500 Aktionen statt, bei denen Kinder und ihre Eltern gemeinsam für einen kinderfreundlichen Verkehr und nachhaltige Mobilität mit dem Fahrrad unterwegs waren.

Von Regine Wosnitza

In Berlin gab es 12 Kidical Mass in verschiedenen Bezirken Routen für radelnde Helden. Sie wurden gemeinsam vom VCD Nordost, dem ADFC Berlin, dem BUND Berlin und Changing Cities organisiert. Am Nollendorfplatz trafen sich am 23. September 2024 bereits zum dritten Mal mehr als 100 junge, ältere und alte Radler*innen. Sie klingelten, radelten und demonstrierten für eine Verbesserung der Radverkehrssituation im Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Die Route über Eisenacher Straße, Grunewald- und Hauptstraße, Ebertstraße und Sachsendamm zur Jugendverkehrsschule führte an mehreren Schulen vorbei. „Jeder Schulweg ist ein Radweg“ - das diesjährige Motto mahnt nicht nur, Haupt- und Nebenstraßen fahrradfreundlich zu gestalten, sondern weist auch in die Zukunft.

Morgens und nachmittags sehe ich die Kleinen auf ihren Laufrädern und kleinen Fahrrädern in die KiTa radeln. Diese Bilder zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht und dann wieder Bewunderung in die Augen, wenn sie mir auch bei herbstlichem Regen und dick eingepackt im winterlichen Grau begegnen. Doch in der Grundschule oder zu Beginn der weiterführenden Schule ist es mit dieser spielerischen Alltagsroutine oft vorbei. Plötzlich erscheint das Radfahren zu gefährlich. Die Kinder sollen selbstständig werden, aber sie allein durch die Straßen fahren lassen! Ein beunruhigender Gedanke.

Das sagen Kinder

Wir trafen uns mit über 100 Radler*innen aus Tempelhof in der Jugendverkehrsschule am Sachsendamm, deren Existenz seit Jahren gefährdet ist. ( Hier unsere Pressemitteilung mit den Forderungen an das Bezirksamt.)

Dort fragten wir die Kinder, welchen Herausforderungen sie auf dem Schulweg begegnen. Sie waren sich einig:

  • Die Kreuzungen sind zugeparkt, so dass sie die Straßen nicht einsehen können.
  • Die Grünphasen an den Ampeln sind zu kurz und das stresst sie beim Überqueren großer Straßen.
  • Die Autos fahren zu schnell und das ist nicht fair.

Kinder sind für Veränderungen. Und wenn wir uns nur diese drei Punkte vor Augen führen, sollten allein diese machbar sein.

  • Wer weniger als 5 Meter vor Kreuzungen und Einfahrten parkt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Diese kann angezeigt und das Fahrzeug abgeschleppt werden. Der Bußgeldkatalog listet übrigens unzählige Tatbestände des falschen Parkens auf.
  • Die Ampelphasen sind weitgehend auf den fließenden Verkehr ausgerichtet, weil es die STVO so will. Ampeln umzuprogrammieren ist eine etwas knifflige Aufgabe. Aber die Ampeln auf Radfahrende und Zufussgehende auszurichten statt nur auf den fließenden Autoverkehr, ist kein Hexenwerk.
  • Auch in innerdeutschen Städten tut sich was. Mehr als 900 Kommunen (nein, Berlin ist nicht dabei!) fordern Autonomie bei der Entscheidung über flächendeckendes Tempo 30 und haben sich in der Initiative Lebenswerte Städte und Gemeinden zusammengeschlossen. Aachen, Augsburg, Freiburg, Hannover, Leipzig, Münster und Ulm (Bonn will sich anschließen) planen einen Modellversuch für kinderfreundliche Verkehrsführung: Tempo 30 in Wohngebieten und Tempo 50 auf ausgewiesenen Hauptverkehrsstraßen. Diese Umsetzung ist wohl am schwierigsten, da der Bund die STVO in der Hand hat und die Kommunen nicht selbst entscheiden können. Mit der im Juni vom Bundeskabinett beschlossenen Reform des Straßenverkehrsgesetzes (STVG) könnte es nach vielen Debatten in Bundestag und Bundesrat über kurz oder lang doch noch zu einer klima-, umwelt- und kinderfreundlichen Verkehrsgestaltung vor Ort kommen.

Mal rhetorisch gefragt. Was ist wichtiger?

Dass Erwachsene mit 58 Jahren plus immer noch auf dem Gaspedal stehen und einen subventionierten Parkplatz vor dem Haus haben?
Oder dass Swantje, Udo, Ebru und Mohamad (11, 12, 9 und 23) täglich mit dem Fahrrad zur Schule und zu ihren Aktivitäten fahren? Dass das Fahrrad auch nach der Pubertät ihr wichtigstes Fortbewegungsmittel ist, weil sie es einfach nicht anders kennen bzw. auch keinen Bock auf Veränderungen haben?

Und die Gefahr?

ich setze mich für uns für Vision Zero ein! Jedes verunglückte Kind ist eines zu viel! Der Gedanke, dass ein Kind verunglückt, sei es leicht, schwer oder tödlich, ist für Eltern, für mich und für uns alle unerträglich. Das steht außer Frage.

Kidical Mass ist eine wichtige Bewegung, die sich für die Sicherheit und Unabhängigkeit von Kindern im Straßenverkehr einsetzt. Es ist an der Zeit, dass Städte eine kinderfreundliche Verkehrsplanung fördern und Eltern ihre Kinder ermutigen, das Fahrrad als Hauptverkehrsmittel zu nutzen. Deshalb befürworte ich den Stopp bei der Kidical Mass an der Jugendverkehrsschule am Sachsendamm. Ich will eine gute Versorgung mit Jugendverkehrsschulen in allen Bezirken, damit alle Kinder eine gute Verkehrserziehung erhalten. Sowohl auf dem Gelände der JVS als auch im realen Straßenverkehr - wie es das Projekt VeloKids anbietet.

Rad fahrende Kinder sind jedoch nicht immer dem Schlimmsten ausgesetzt sind, wenn sie auf unseren Straßen unterwegs sind. Das zeigen die folgenden Zahlen.

  • 11,9 Millionen Kinder unter 15 Jahren lebten Ende 2022 in Deutschland.
  • Im Jahr 2022 verunglückten rund 25.800 Kinder (bis 15 Jahre) auf deutschen Straßen.
  • Die meisten Kinder, die 2022 im Straßenverkehr verunglückten, waren mit dem Fahrrad unterwegs (36 %). 34 % saßen in einem Auto und 22 % gingen zu Fuß, als der Unfall passierte.
  • Quelle: Zahl der Woche Nr. 33 vom 15. August 2023 des Statistischen Bundesamtes. Der Artikel enthält weitere Informationen.

Uns das zu vergegenwärtigen ist ein mentaler Kraftakt, den wir uns immer wieder leisten müssen. Gleichzeitig müssen wir uns immer weiter für verbesserte Verkehrsbedingungen einsetzen.

Coole Sache!

Im Moment sind Kinder im Straßenverkehr kaum sichtbar. Das ist einerseits verständlich, andererseits aber kontraproduktiv für die Zukunft. Ich bin überzeugt, dass die absolute Mehrheit der Autofahrenden ihr Verkehrsverhalten anpasst und Rücksicht nimmt, sobald Kinder und Jugendliche die Straße mit ihnen teilen.

Es gilt Kinder und Jugendlichen als Verkehrsteilnehmer*innen von morgen fürs Rad fahren, den Umweltverbund, für Klimaschutz zu empowern. Cool wäre es, wenn immer mehr von ihnen uns allen ein paar Moves ansagen:

  • Fahrt nicht zu lange im Auto, setzt euch selbst das Rad!
  • Elterntaxi ist für mich ein no go!
  • Lasst uns sichere Nebenstraßen zur meiner Schule checken.
  • Bilde 'ne Fahrradgang mit anderen Eltern und Kindern.
  • Setzt euch für sichere Schulzonen ein.
  • Schlag meinem Coach vor, dass wir mit Rädern zu Turnieren fahren.
  • Ich will ne Schul-Fahrrad-AG gründen und abgefahrene Ausflüge machen. Unterstütz' mich!
  • Fahrradfahren ist der Shit, checkt das.

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