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Interview mit Helmut Dedy vom Deutschen Städtetag

Interview mit Helmut Dedy vom Deutschen Städtetag

In Deutschland haben sich zahlreiche Städte zusammengeschlossen, die das Tempo auf ihren Straßen drosseln wollen. Selbst dürfen sie so ein Tempolimit aber auf Kreis-, Landes- und Bundesstraßen nicht ändern. Darum haben sie die Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ ins Leben gerufen, die vom Deutschen Städtetag unterstützt wird. Dessen Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy erklärt, warum die Städte selbst entscheiden wollen, wann und wo sie Tempo-30-Zonen errichten möchten.

Herr Dedy, Spanien hat im vergangenen Jahr ein bundesweites Tempo-30-Limit auf den meisten Straßen in seinen Städten erlassen. Wird so ein Gesetz auch in Deutschland kommen und was glauben Sie: wann?

Der Druck wächst. Die Städte wollen selbst entscheiden können, wo vor Ort niedrigere Geschwindigkeiten als die Regelgeschwindigkeit von 50 km/h auf den Straßen gelten sollen. Rund 300 Kommunen unterstreichen ihre Forderung in der Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden durch angepasste Geschwindigkeiten“, die der Deutsche Städtetag unterstützt. Wir hoffen, dass nun rasch Bewegung in die Gesetzgebung kommt. Der Bund ist gefragt, die vorgesehenen Änderungen im Straßenverkehrsgesetz und in der Straßenverkehrsordnung schnell auf den Weg zu bringen. Klar ist: Die Städte in Deutschland treiben die Mobilitätswende mit Nachdruck voran. Tempo 30 innerorts, wo möglich und nötig, ist ein Baustein, um die Verkehrslage in den Städten zu verbessern.

 

Auf Straßen, die keine Kreis-, Landes- oder Bundesstraßen sind, können alle Städte und Gemeinden in Deutschland schon jetzt Tempo 30 einführen. Nutzen Städte und Gemeinden diese Möglichkeit in der Regel aus oder sehen Sie da auch noch Potenzial, um den Verkehr zu verlangsamen?

In vielen Wohngebieten sind Tempo 30-Zonen und auch Spielstraßen mit Schrittgeschwindigkeit schon lange gängige Praxis. Diese Geschwindigkeitsbeschränkungen werden von den Bewohnerinnen und Bewohnern nicht nur gewünscht, sondern gefordert. Die Städte und Gemeinden wissen am besten, wo und wann Geschwindigkeiten unter 50 km/h sinnvoll sind. Anordnen können sie diese abseits der Wohngebiete aber nur an besonderen Gefahrenstellen, etwa vor Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern. Bislang ist das ein rechtliches Nadelöhr. Zusätzlich sind oft Gründe wie Lärmschutz und Luftreinhaltung nötig, um das rechtlich durchzusetzen. Das muss dann mit Gutachten umfassend untermauert werden, was den Prozess schwierig macht und viel Zeit kostet. Warum zum Beispiel Tempo 30 nur über 300 Meter gelten darf und auch nur dann, wenn der Eingang eines Kindergartens unmittelbar zur Hauptstraße zeigt, verstehen die Menschen nicht.

 

Gibt es innerhalb der Städteinitiative unterschiedliche Vorstellungen davon, wie das Tempolimit ausgestaltet werden soll?

Unterschiedliche Vorstellungen sind ja das Lebenselixier der Städte. Aber im Verkehr gelten Regeln, an die sich alle Verkehrsteilnehmer halten müssen. Deshalb wünschen wir uns zusätzlich auch Modellprojekte für Innovationen beim fließenden und ruhenden Verkehr. Einzelne Tempo 30-Abschnitte im Straßenverlauf tun niemandem weh, die Reisezeit verlängert sich dadurch zumeist kaum. Die geringere Geschwindigkeit kann aber für einen besser fließenden Verkehr, weniger Stop-and-Go, mehr Verkehrssicherheit und weniger Emissionen sorgen. Das ist ein Gewinn für alle.

 

Tempo 30 - das ist mit dem Auto gar nicht so einfach, auf längere Strecke durchzuhalten. Wäre Tempo 40 nicht ein guter Kompromiss gewesen?

Auch wenn Tempo 30 häufig als Schlagwort im Raum steht – es geht grundsätzlich um die Möglichkeit, den Verkehrsfluss besser zu steuern. Das kann in der Praxis auch mal Tempo 40 bedeuten. Entscheidend ist, dass die Städte es anordnen können, wenn es den Bedürfnissen vor Ort entspricht. Es wird auch nicht überall von heute auf morgen Tempo 30 gelten: Aber wir wollen erproben können, was vor Ort sinnvoll sein kann und die gewonnen Erfahrungen für eine Straßenverkehrsordnung einsetzen, die die Sicherheit aller Menschen und Verkehrsarten im Stadtverkehr berücksichtigt. Das tut die bisherige Straßenverkehrsordnung nicht – sie konzentriert sich zu sehr auf den motorisierten Verkehr.

Hintergrund

Tempo 30 in Deutschland

In Deutschland muss für viele Straßen, auf der Städte ein Tempolimit von 30 km/h einführen wollen, eine Begründung geliefert werden. Wie auch in der 2022 geführten Diskussion um die autofreie Friedrichstraße zeigt, dass Kommunen und Städte hier aufgrund der Straßenverkehrsordnung sehr kleinen Handlungsspielraum haben, um Umweltbelastungen und vom Verkehr verursachte gesundheitliche Beeinträchtigungen zu minimieren.

Mehr Interessantes zu Tempo 30 gibt’s hier:

Die Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ stellt sich vor:

www.lebenswerte-staedte.de


Tempo 30 in Spanien

Tempo 30 in der Stadt - in Spanien ist das die Regel. Seit 2021 sind dort auf allen einspurigen innerstädtischen Straßen keine 50 km/h mehr erlaubt. So soll der Verkehr sicherer werden. mehr...

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