„Der schwarz-rote Koalitionsvertrag ist eine Kampfansage an alle Fahrradfahrenden, vom Schulkind bis zur Oma“ sagt der Landesvorsitzende des VCD Nordost, Heiner von Marschall.
In gerade einmal dreieinviertel Zeilen von sieben Seiten „Mobilität und Verkehr“ wird der Radverkehr abgehandelt, um nicht zu sagen beerdigt. Maßnahmen des Radverkehrsplans sollen „priorisiert“, also deutlich zusammengestrichen werden. Schwerpunkt liegt auf Sanierung alter, also nicht standardgemäßer Radwege. Und man höre und staune: „Sichere Radspuren“ sollen in Ausnahmefällen „auch getrennt“ eingerichtet werden. Ja wie denn sonst, wenn es eine „Radspur“ sein soll? Was immer damit gemeint ist: Bauliche Radwege auf dem Gehweg? Oder Radstreifen auf der Fahrbahn?
In einem weiteren Nebensatz unter „Mobilitätsgesetz“ werden Mindestbreiten für sicheren Radverkehr kurzerhand abgeschafft. Kein Mensch käme dagegen auf die Idee, Kfz-Fahrspuren bei Platzmangel einfach ohne Mindestbreite zu markieren, z.B. mit 1,70m.
Ein faires Miteinander aller Verkehrsarten wird aufgekündigt, auch in begleitenden öffentlichen Erläuterungen von Kai Wegner und Franziska Giffey. Gerade in den Außenbezirken, wo Kfz-Verkehr heute besonders dominant ist und 70-80% der Verkehrsflächen einnimmt, sodass Eltern ihre Kinder nicht mit dem Fahrrad zur Schule fahren lassen, sollen kaum noch sichere Radwege eingerichtet werden, um den Autos nichts wegzunehmen.
„Außenbezirke und Innenstadt werden damit gegeneinander ausgespielt: in der Innenstadt wird Fahrradfahren noch hingenommen, in den Außenbezirken bitte nicht, anders kann man das kaum bewerten“ erklärt von Marschall.
Für den Fußverkehr gibt es nichts neues, im Großen und Ganzen wird der aktuelle Stand des Mobilitätsgesetzes referiert und damit in Erinnerung gerufen. Ein besonderes Schmankerl: Die Anordnung von Zebrastreifen soll ausdrücklich „grundsätzlich möglich“ sein, wenn sie schon geplant sind. Weitere scheinen also nicht erwünscht.
Die vermeintlich gute Nachricht: Schwerpunkt soll auf dem ÖPNV Ausbau liegen. Zwei Tram-Projekte sollen vollendet werden: Die Tram zur Turmstraße, wo im Juni die ersten Bahnen fahren werden, die neue Koalition kommt gerade noch rechtzeitig, um zur Eröffnung ein Band zu durchschneiden. Die Anbindung des Ostkreuzes durch die Sonntagstraße zu vollenden wäre tatsächlich ein Fortschritt und verdienstvoll, hier hakt es seit Jahren. Man wird sehen.
Alles andere soll dann also eher nicht vollendet werden. Für fünf Tram-Strecken soll die bereits vorbereitete Planfeststellung eingeleitet werden, drei weitere werden dagegen erstmal zurückgestellt. Und alles weitere geprüft, einschließlich der Idee einer isolierten Wegner-Tram durch Kladow zur Heerstraße. Unter dem Strich bleibt: Einige der Strecken, die nach aktueller Planung 2028 den Betrieb aufnehmen sollten, werden ausgebremst.
Entwarnung bei der U-Bahn: Es werden nur Planungen fortgeführt, die bereits unter einer grünen Senatorin begonnen wurden. Ein weiterer bunter Ideenstrauß „wird geprüft“.
Eine kleine Bombe versteckt sich möglicherweise in dem Satz: „Die Koalition steht für den S-Bahn-Betrieb aus einer Hand.“ Sollen die Ausschreibungen gestoppt werden?
Die Friedrichstraße war ein besonderer Zankapfel als Wahlkampf-Hype. Umso bemerkenswerter, dass der Weg, den Bettina Jarasch vor einem Jahr einschlug, nachdem sie das Projekt von ihrer Vorgängerin übernommen hatte, nun offensichtlich fortgesetzt werden soll. Das zieht sich bis in die einzelnen Formulierungen: Es soll ein größerer Raum betrachtet werden, das gesamte Quartier rund um den Gendarmenmarkt/zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor. Fahrrad- und Fußverkehr werden getrennt. Aufenthaltsqualität muss erhöht werden. Die Friedrichstraße kann so nicht bleiben/muss gestaltet werden. Dazu soll ein Masterplan entwickelt/ausgeschrieben werden.
Als Fazit für den VCD sagt von Marschall: „Viele positive Entwicklungen, die schon in den letzten Jahren zu langsam vorangingen, werden nun gezielt weiter ausgebremst, ohne schlüssige Alternativen aufzuzeigen, auf welchem Weg Klimaschutz im Verkehrssektor, faire Flächenverteilung unter allen Verkehrsteilnehmenden sowie Verkehrssicherheit im Sinne der #VisionZero erreicht werden sollen, damit alle Berlinerinnen und Berliner ihre Wege durch die Stadt wirklich sicher und unbedrängt zurücklegen können.“
Stoppt das Sterben auf unseren Straßen!
Unsere Übersicht zu allen Todesopfern im Berliner Straßenverkehr:
https://nordost.vcd.org/ziele/verkehrssicherheit/verkehrstote-2022
https://nordost.vcd.org/ziele/verkehrssicherheit/verkehrstote-2023
Pressekontakt VCD Nordost:
Heiner von Marschall, Landesvorsitzender
Email: heiner.v.marschall@vcd-nordost.de Tel: 0174 465 65 23
Mobilitätswende heißt für uns: Eine Transformation unseres Verkehrssystems, das aktuell vorrangig auf privaten Autobesitz ausgerichtet ist, hin zu einer Mobilität für alle im Umweltverbund (ÖPNV, Fahrrad, Fußverkehr), ergänzt durch Sharing sowie Liefer- und Fahrdienste (für Personen und Güter) aller Art. Dies ermöglicht gleichzeitig die #VisionZero.
Der VCD (Verkehrsclub Deutschland) setzt sich ein für Mobilität für Menschen, ein positives Miteinander aller Verkehrsarten und eine ökologische Verkehrswende. Schwerpunkte sind dabei die Förderung des Umweltverbundes (ÖPNV, Fahrrad und Fußverkehr) und mehr Verkehrssicherheit gerade auch für die schwächeren Verkehrsteilnehmer: Kinder, Ältere und Menschen mit Mobilitätseinschränkungen.
Der VCD Nordost ist der Landesverband für Berlin und Mecklenburg-Vorpommern.
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