Nordost

Auto & Straße, Mobilitätsbildung
VCD Nordost aktuell

Auf dem Weg zur Flächengerechtigkeit - Zahl der Parkplätze sind bekannt

Nun wissen wir es: innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings gibt es 229.249 Autostellplätze, das entspricht der Fläche von 400 Fußballfelder. Dank dem Projekt Parkplatz Transform gibt es hiermit eine valide Grundlage, um den VCD Slogan „Erober dir die Straße zurück“ voranzutreiben. Um Flächengerechtigkeit im öffentlichen Raum zu erreichen, brauchen wir neue Überlegungen, Planungen und Aktionen.

In monatelangen Zählaktionen haben die Aktivist*innen des Projektes Parkplatz Transform eine Zahl ermittelt, die niemand in Berlin kannte: 229.249. Soviele Autostellplätze verbrauchen Platz im öffentlichen Raum innerhalb des S-Bahn-Rings. An diesen Daten und die vom vom Tagesspiegel erstellte interaktive Karte können sich Verkehrsplaner*innen auf Landes- und Bezirksebene und auch Aktivist*innen der Mobilitätswende nun orientieren und in Taten umsetzen.

Parkplatz Transform beschreibt sich selbst als „Berliner Initiative, die systematisch den Raum erfasst, den parkende Autos in der Stadt einnehmen. Wir denken, Parkraum könnte besser genutzt werden - dafür liefern wir Argumente und die nötigen Daten.“

Wir wollen die gelieferten Daten anschaulich machen und zoomen uns in der interaktiven Karten in den Barbarossakiez herein.
Der alamierend rot eingefärbte Kiez ist so beschrieben.

  • Anteil Parkplätze an Straßenflächen = 24%
  • Parkplätze auf der Straßenfläche = 2124
  • Fläche der Parkplätze = 26.550 qm
  • Auf jeden der 10.591 Menschen im Kiez kommen im Schnitt 0,2 Parkplätze
  • 3053 Kfz sind im Kiez gemeldet, auf jedes kommen im Schnitt 0,7 Parkpläzte
  • Parkplätze auf öffentlichem Straßenland machen 5,2% der Kiezfläche aus. Spielplatze 2,5% und Grünflächen 10%

„Der Kiez ist überparkt, komplett unterversorgt mit Spielplätzen und hat erschreckend wenige Stadtgrün, im Vergleich zu den Parkplätzen,“ fasst Regine Wosnitza, die Geschäftsführerin des VCD Nordost e.V. zusammen. „3.053 Kfz sind gemeldet, doch im Kiez sind 10.591 Menschen gemeldet. Diese Zahl lässt vermuten, dass die Mehrzahl der Anwohnenden gar keinen Zugriff auf ein Auto hat.“

Sommerstraße Barbarossa – eine autofreier Monat
Mitten durch den Barbarossakiez verläuft die Barbarossastraße. Der Abschnitt zwischen Goltz- und Kyffhäuserstraße wurde im August 2021 Schauplatz eines spannenden Experimentes im Rahmen des Projektes Kiez erFahren und stellte Fragen zur Entwicklung eines Innenstadtquartier bei Sperrung für den Durchgangsverkehr und Platzgewinnung für die Anwohnenden durch Auslagerung von parkenden Autos. Denn für vier Wochen verschwanden 40 Parkplätze bzw. 40 Autos aus dem Straßenraum.

Das DLR Institut für Verkehrsforschung begleitete die Sommerstraße wissenschaftlich mit einer Haushaltsbefragung vor sowie nach dem Reallabor. Und die Wissenschaftlerinnnen erstellten Wege- und Aufenthaltskartierungen, die den Aspekt Flächengerechtigkeit bzw das Fehlen derselben anschaulich zeigten. Hierfür untersuchten die Wissenschaftler*innen, wie die Anwohnenden und Passant*innen ihren Wege und Aufenthalte änderten, als ihnen der Straßenraum gänzlich zur Verfügung stand. Zur gesamten Analyse Wege- und Aufenthaltskartierungen in der Sommerstraße Barbarossa

Wege
Vor dem Projekt passierten rund 170 Menschen diesen Straßenabschnitt in einer Stunde und bewegten sich – entsprechend der STVO - fast ausschließlich auf den beiden Gehwegen, die 3,7 bzw 4,68 Meter breit sind. Zum Vergleich: Ein Parkplatz wird mit circa 3 Metern Breite berechnet.

Während des Projektes stieg die Nutzung des öffentlichen Raumes und es passierten circa 221 Menschen diesen Straßenabschnitt. Sie verteilten sich auf zwei Gehwege (121 Personen) und nahmen überraschend selbstverständlich auch den Straßenraum in Anspruch (100). Gemeinsam mit dem Straßenraum standen ihnen eine Fläche von 21,16 Metern Breite zur Verfügung.

Aufenthalt
Vor dem Projekt gab es 11 Aufenthalte / Std in der Straße, d.h. 11 Menschen passierte sie nicht einfach, sondern verweilten dort einige Zeit. Laut der Kartierung hielten sie sich hauptsächlich im Bereich der Kiezoase und vor dem Spielplatz auf.

Während des Projektes gab es 23 Aufenthalte / Stunde in der Straße. Diese verteilten sich in unterschiedlicher Weise auf die Parklets (aka SchöneFlächen) in denen es Angebote wie ein Tauschmarkt, eine offene Bühne, eine Hängematte, ein Infostand etc gab.

Schlussfolgerung
Steht in einem Straßenabschnitt mehr Raum für Anwohnende und Passant*innen zur Verfügung, halten sie sich dort länger auf und nutzen die gesamte Fläche des Raumes. Außerdem beschäftigen sie sich mit den Angeboten, die im öffentlichen Raum vorgehalten werden. Freiflächen um der Freiflächen willen bürgen natürlich noch keine Aufenthaltsqualität und garantieren keine Belebung des öffentlichen Raumes. Doch die Kartierung zeigt deutlich, dass die Menschen Angebote zur Erholung, zum geldfreien Konsum, zu Informationen und Begegnungen bevorzugt aufsuchten und dort verweilten.

„Uns wurde deutlich,“ sagt Regine Wosnitza, die das Projekt im Auftrag des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg leitete, „dass eine lebenswerte Stadt nur mit einem Zugewinn an Freiflächen ermöglicht werden kann. Parkplätze abzuschaffen ist hierbei von großer Bedeutung und einfach umzusetzen.“

Hinweis
Mit dem VCD-Projekt Erober dir die Straße zurück geben wir praktische Tipps für Parkplatztransformationen. Lest auch den Beitrag „Der Flächengerechtigkeit ein Stück näher“ zu einem Projekt im Dortmunder Kreuzviertel, in dem ebenfalls 40 Parkplätze temporär neuen Nutzungen zugeführt wurden.

Erläuterung der Vorgehensweise der Kartierungen
Für die Wegekartierung wurden die Wegeverläufe der Passant*innen erfasst:

  • An 2 Tagen in der Woche zu 3 Zählzeiten (7:30-8:30, 12-13, 16:30-17:30)
  • An 2 Tagen am Wochenende zu 3 Zählzeiten (9-10, 13:30-14:30, 18-19)

Für die Kartierung von Aufenthaltsorten in der Barbarossastraße gab es verschiedene Messzeiten vor und während des Projektes

  • Vor dem Projekt: Kartierung erfolgt 1 Stunde lang, parallel zur Wegverlaufskartierung
  • Während dem Projekt: Kartierung erfolgt nur 2 mal 5 Minuten lang

 

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