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Bahnfahren – Urlaub von Anfang an!

So dachte ich noch, als ich an einem Sonntag früh um 5:49 Uhr in Berlin den Zug Richtung Basel besteigen wollte. Zunächst ahnte ich noch nichts Böses, als die Anzeige erst 5, dann 10 und kurz darauf 15 Minuten Verspätung versprach.

 

Erst als die Minutenangaben durch „Fahrt fällt aus“ ersetzt wurde, packte mich leichte Panik: Mein Ziel war Titisee im Hochschwarzwald, dort wollte ich meine Radtour beginnen, ich war also mit meinem Fahrrad unterwegs und hatte – natürlich – einen Platz für’s Rad mitgebucht.
Nun weiß man ja seit langem, dass die Bahn nicht sonderlich daran interessiert ist, Fahrräder zu transportieren, schon gar nicht im ICE. Erst in der letzten Serie mit der Nummer 4 der Vorzeigeflotte ICE sind pro Zug 8 Stellplätze vorhanden. In den Serien davor? Fehlanzeige bis auf den eher selten anzutreffenden ICE-T!


Was tun? Die freundliche Hilfe eines Mitarbeiters der Bahn im Hauptbahnhof verschaffte mir immerhin einen Platz fast zwei(!) Stunden später in einem anderen Zug. Den durfte ich nur unter der Bedingung besteigen, dass in Südkreuz die noch freien Fahrradplätze nicht in Anspruch genommen würden. Diese Hoffnung platzte, ich strandete im Bahnhof Südkreuz. Hier gab es niemanden mehr, der sich meiner Notlage annehmen konnte.


Als ich Wochen vorher meine Reise plante und Zugverbindungen mit Fahrradmitnahme suchte, erkannte ich bald, dass dies zur Sommerzeit nicht einfach werden würde. Ich bestimmte also meinen Radtour-Start nach freien Plätzen für Fahrräder in den Zügen der DB. Deshalb auch der Reisestart so früh an einem Sonntagmorgen.


Im Wissen um eigentlich keine vorhandenen Kapazitäten zur Fahrradmitnahme versuchte ich meine Möglichkeiten zur Lösung meiner Notlage zusammenzufassen: Neues Ticket buchen? Am Automaten leider nicht möglich. Reisezentrum der DB? Macht sonntags leider, leider erst um 10:00 Uhr auf. Ich fuhr frustriert nach Hause, was wegen der Nähe meines Wohnortes zum Bahnhof Südkreuz kein Problem war. Ich war ja mit dem Fahrrad unterwegs…


Für den Sonntag und auch den folgenden Montag gab es keine(!) freien Fahrradplätze, wie ich auf der Seite der DB feststellen musste.
Das bedeutete, entweder den Urlaub in den Wind schreiben oder aber in ca. 14-stündiger Odyssee im NV den Bahnhof Titisee erreichen. Beides keine schöne Aussichten. Ich entschied mich für die beim Bahnfahren eher ungewöhnliche Methode des „Trampens“. Das bedeutete, ich bettelte bei jedem Zug um Mitnahme in der Hoffnung, dass entweder ein gebuchter Fahrradplatz nicht in Anspruch genommen wurde, eine Teilstrecke nicht vollständig ausgebucht oder ein nachsichtiger Zugchef Erbarmen mit mir hat.

Nach gut einer Stunde hatte ich Erfolg und durfte bis Wittenberg mitfahren. Leider warteten dort tatsächlich die Radreisenden, deren Plätze bis Wittenberg nicht vergeben waren. Ich saß also in der Falle, in Wittenberg rauscht so mancher ICE einfach durch, wie ich nun weiß...
Meine Hoffnung auf den eine Stunde später folgenden Zug, inzwischen war es schon 12 oder sogar 13Uhr, so genau weiß ich das gar nicht mehr, erfüllte sich: Ich durfte bis Erfurt mitfahren! Wartezeit auf den nächsten Zug: ebenfalls eine Stunde! Dieser allerdings, welch ein Glück, nahm mich bis Mannheim mit, ein irrer Erfolg, von dort konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen, selbst der Nahverkehr schien ab dort wieder eine realistische Option.
Und das Wunder wurde wahr: Der ICE 77 hatte in Mannheim einen nicht besetzten Stellplatz frei! Der Rest war dann wirklich kein Problem mehr. Den RE nach Titisee erreichte ich in Freiburg im Laufschritt, ich war dann knapp vor 19:00 Uhr am Ziel!


Wäre der Zug am Morgen nicht mal eben so ausgefallen, hätte ich mein Ziel schon um 13:55 erreicht. Was sind schon fünf Stunden Verspätung angesichts der Tatsache, dass ich noch am selben Tag ankam?

Fazit? Die DB sieht offensichtlich keinerlei Ersatz für Fälle wie meinen vor: selbst ist der Mann, selbst ist die Frau, nur so geht’s bisher. Unterstützung? Nur wenn zufällig ein hilfsbereiter Mensch anwesend ist. Dieser fehlende Service ist die andere Seite einer scheinbar widerwilligen Bereitschaft der Bahn, für mehr Fahrradstellplätze auch in den Fernzügen zu sorgen.
...und ich dachte, der Daseinszweck der Bahn sei es, uns, die Reisenden, zuverlässig und komfortabel von A nach B zu bringen – offensichtlich ein Irrtum…

Bericht von Harald Wenzel (Sprecher AG Rad & Fuß)

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