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Radverkehr
VCD Nordost aktuell

#NichtMitUns – Wir kämpfen gegen die Schleifung des Berliner Radverkehrnetzes

Mehr als 12.000 Radfahrende protestierten am 2. Juli vor dem Roten Rathaus gegen den Radwegestopp. Kaum erschien am 5. Juli 2023 eine Pressemitteilung von Senatorin Dr. Manja Schreiner erschienen, saßen schon wieder hunderte Menschen auf ihren Fahrrädern, um vor der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) zu protestieren.

Sie wollten sich nicht damit abfinden, dass weitere Radwege zur Überprüfung angehalten wurden. Zudem die Senatorin kurz zuvor am selben Tag zu einem Runden Tisch Radwege eingeladen hatte. Doch der Stopp war bei dem von der Senatorin auf Twitter als „konstruktiven Austausch“ bezeichneten Treffen trotz Nachfragen kein Thema: Dazu könne man nichts sagen, das werde noch geprüft. Fakten geschaffen wurden dann eine Stunde nach dem Treffen per Pressemitteilung.

Heiner von Marschall, Landesvorsitzender des VCD-Nordost: “Die Verbände fühlen sich mit dieser Vorgehensweise nicht ernst genommen. Die Senatorin und der Regierende Bürgermeister wollen angeblich ein neues Miteinander und eine angeblich fehlende breite Beteiligung nachholen. Stattdessen werden ohne jede Beteiligung in einsamen Entscheidungen Radweg-Projekte gestoppt oder zumindest verzögert, die zuvor über lange Jahre mit breiter Beteiligung, von Fachverbänden über Verkehrswissenschaft und Unfallforschung bis hin zu den bezirklichen FahrRäten, erarbeitet wurden. Offenbar gibt es kein Interesse an einem echten Austausch.“

Daraufhin organisierten VCD Nordost gemeinsam mit allen Mobilitätsverbänden und der Zivilgesellschaft Fahrraddemos – die teilweise fast täglich in verschiedenen Berliner Bezirken stattfanden. Hier war nicht nur die “Fahrrad-Blase” unterwegs. Hier sagte eine überwältigende Zahl von Menschen quer durch die Berliner Bevölkerung #NichtMitUns

Die protestierenden Radler*innen waren unter anderem in der Ollenhauerstraße in Reinickendorf unterwegs, wo Verkehrsstadträtin Julia Schrod-Thiel (CDU) in vorauseilendem Gehorsam den Bau eines geplanten Radweg stoppte, der bereits Mitte Juni hätte eröffnet werden sollen. Viermal riefen Schöneberger Anwohnerinnen und Anwohner zu Demonstrationen in der Haupt- und Grunewaldstraße auf. Jedes Mal kamen mehrere hundert Menschen, denn hier wie an anderen Orten war der Ärger auch über den drohenden Verfall von Fördermitteln in Millionenhöhe groß. Unter dem Motto #nichtmituns fuhren Tausende Menschen protestierend mit dem Fahrrad durch Neukölln, Mitte, Friedrichshain, Prenzlauer Berg, Marzahn-Hellerdsdorf und zum Müggelsee.

Seit dem 20. Juli scheint der Spuk bzw. die Machtdemonstration der Senatorin vorbei. Von den 19 geprüften Radverkehrsprojekten gab sie 16 Projekten grünes Licht (6 Projekten ohne Änderungen, 10 mit leichten Anpassungen - Details siehe PM der SMVK vom 20.7.2023). Wobei Kriterien der Überprüfung weiter unklar bleiben und die Anpassungen nicht transparent kommuniziert werden. Auch Stadträtin Schrod-Thiel ruderte zurück, der Radweg in der Ollenhauerstraße soll „zeitnah kommen” – was immer das heißt, fertig gebaut ist er längst.

„Das zeigt, dass die überwiegende Zahl der Planungen den Standards entsprach“, sagt die Geschäftsführerin des VCD Nordost Regine Wosnitza. "Diese Machtdemonstration der Senatorin war nicht nur überflüssig, sondern konterkariert auch den von ihr gewünschten konstruktiven Austausch. Darüber hinaus sind Radverkehrsprojekte ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz. Dieser wird von der CDU auf Landes- und Bundesebene immer wieder missachtet und torpediert.“

Neben den Mobilitätsverbänden bekam die Senatorin weiteren Gegenwind u.a. von der Industrie- und Handelskammer und der Deutschen Umwelthilfe. Letztere kündigte weitere Klagen an. „Wir prüfen die Einleitung weiterer Klageverfahren zu allen gestoppten Radwegeplanungen“, so Geschäftsführer Jürgen Resch, „und werden auch darüber hinaus mit kreativen Aktionen gegen die autolobbygetriebene Politik der Berliner CDU-SPD-Regierung vorgehen!“.

Durch die gute Vernetzung zwischen den Verbänden und der Zivilgesellschaft konnten wir in den letzten Wochen erfolgreich Druck aufbauen. Dieser wird auch in Zukunft dringend notwendig sein.

Drei Radverkehrsprojekte (Stubenrauchstraße (Neukölln) 1,2 km / Roedernallee (Reinickendorf) 790 Meter / Blankenfelder Chaussee (Pankow) 1,9 km) stehen noch auf der Kippe.

Durch den Haushaltsentwurf 2024/2025 wird der Radwegeumbau massiv ausgebremst. Faktisch bleiben die vorgesehenen Mittelansätze von insgesamt 59,1 Millionen Euro zwar auf dem Niveau der Vorjahre. Doch kann damit die für diese Legislatur geplante stadtweite Umsetzung nicht finanziert werden. Dazu hätte es einer Erhöhung der eingestellten Mittel bedurft.

Letztlich steht das Mobilitätsgesetz insgesamt beim Senat auf dem Prüfstand. Bei allen Planungen sollen Alternativen bevorzugt werden, die die Einschränkungen für den motorisierten Individualverkehr und den ruhenden Verkehr so gering wie möglich halten.

„Diese Zurschaustellung von Kontrolle des Radverkehrs und Bevorzugung des Autoverkehrs dient dem Stimmenfang bei den eigenen Wähler*innen und nicht der dringend benötigten Mobilitätswende”, so Regine Wosnitza. „Das geht zum einen zu Lasten des Umweltverbundes. Zum anderen ist die Verkehrssicherheit insbesondere von Kindern, Jugendlichen und älteren Menschen für uns nicht verhandelbar.“

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