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„Reinickendorf hinkt hinterher“

„Reinickendorf hinkt hinterher“, Artikel zum Interview aus der "Reinickendorfer Allgemeine Zeitung"

 

Der Fahrradverkehr ist eine der tragenden Säulen des klimafreundlichen und stadtverträglichen Verkehrs. Das im Juli 2018 in Kraft getretene Mobilitätsgesetz markiert einen Paradigmenwechsel in der Berliner Verkehrspolitik. Nicht mehr der motorisierte Individualverkehr steht im Zentrum, sondern der Umweltverbund aus ÖPNV, Fuß- und Fahrradverkehr. Doch das im Gesetz formulierte Ziel, den Anteil des Radverkehrs am gesamten Berliner Verkehr spürbar zu steigern, setzen die Bezirke unterschiedlich stark um. Die RAZ sprach mit Heiner von Marschall, Landesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland, Landesverband Nordost e.V. über die Situation im Fuchsbezirk.

Wie stellt sich die Situation für Radfahrer in Reinickendorf dar?

Reinickendorf hinkt im Vergleich zu anderen Bezirken ganz weit hinterher. Wenn wir ehrlich sind, gibt es sowieso nur drei oder vier Bezirke, die wirklich daran arbeiten, das richtig umzusetzen, was natürlich zu wenig ist. Dazu gehören Friedrichshain-Kreuzberg mit den Pop-up-Radwegen oder mit der Begegnungszone in der Bergmannstraße, was hier insbesondere auch am Amtsleiter des Straßen- und Grünflächenamts liegt. Felix Weisbrich agiert hier wirklich sehr engagiert. Auch in Neukölln, Pankow, Charlottenburg-Wilmersdorf und Tempelhof-Schöneberg sind deutliche Bemühungen erkennbar, während woanders wenig passiert. Aber es gibt tatsächlich nur einen einzigen Bezirk, der aktiv dagegen angeht – und das ist Reinickendorf. Dabei bietet der Fahrradverkehr gerade für eine so dicht besiedelte Metropole viele Vorteile. Einerseits braucht er wenig Platz, andererseits ist er lärm- und emissionsfrei. Zudem ist Fahrradfahren kostengünstig und gesund.

Es sind Mittel bereitgestellt worden, die die Bezirke ausgeben können und sollen, um das Mobilitätsgesetz umzusetzen.

Ja, das stimmt. Es gibt die Programme, und die Bezirke müssen lediglich Projekte ins Leben rufen, die die Senatsverwaltung dann finanziert. So war das auch bei den Pop-up-Radwegen. Ein solcher musste lediglich angemeldet werden – und die Finanzierung kam dann von Senatsseite. Allerdings gilt in Reinickendorf der Beschluss, dass bei solchen Initiativen kein Parkplatz wegfallen darf. Diesen Beschluss gibt es wirklich nur in Reinickendorf. Und natürlich macht er das Erstellen neuer Radwege nahezu unmöglich. Schließlich kann man eine Fläche nicht zweimal verteilen.

Zwar gibt das Mobilitätsgesetz die Richtung ganz deutlich vor, was in den Bezirken bis 2030 geschehen muss. Dazu gehören auch sichere Radverkehrsanlagen an allen Hauptverkehrsstraßen – wie dem Zabel-Krüger-Damm oder der Berliner Straße in Tegel. Ich sehe hier im Fuchsbezirk allerdings noch keine einzige Aktion, die in diese Richtung geht. Im Gegenteil: Hier wird das Leitbild der autogerechten Stadt immer noch mit Klauen und Zähnen verteidigt – und so haben es alle anderen schwer.

Das heißt, Reinickendorf verstößt gegen das Gesetz, wenn nichts geschieht?

Ja, denn per Gesetz soll es bis 2030 sichere Radverkehrsanlagen an allen Hauptstraßen sowie ein durchgängiges Radverkehrsnetz geben. Um das zu schaffen, muss man zügig drangehen, die Fristen sind ohnehin ambitioniert. Dabei sage ich deutlich, dass es nicht um einen Kulturkampf gegen das Auto geht, sondern darum, dass wir begrenzte Flächen haben und diese effizient nutzen müssen, um möglichst vielen Menschen eine sichere Mobilität zu ermöglichen. Das immer noch vorherrschende Verkehrskonzept ‚privater Autobesitz‘ verbraucht viel Fläche für die Mobilität relativ weniger Menschen, nicht zuletzt durch Parkplätze. Die meisten Autos stehen ja 23 Stunden pro Tag nur nutzlos da. Diese Flächen fehlen dann, um eine andere, effizientere Mobilität für alle zu ermöglichen.

Was würden Sie sich für den Bezirk wünschen?

Ich wünsche mir ein klares Bekenntnis zur Mobilitätswende und in diesem Zusammenhang eine neue, gerechtere Flächenaufteilung.

Danke für das Gespräch

Interview Christiane Flechtner

 

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